Psychische
Erkrankungen nehmen immer stärker zu. Die Entwicklung unserer Arbeitsgesellschaft
von einer Industrie- hin zu einer wissens- und kommunikationsintensiven
Dienstleistungsgesellschaft hat die Belastungen in der Arbeitswelt verändert.
Während körperliche Anstrengungen abnehmen, steigen psychosoziale Belastungen
in einem hohen Maße. Zeitdruck, Störungen des Arbeitsablaufs und ein
eingeschränkter Entscheidungsspielraum gelten als wesentliche Faktoren, die
psychische Erkrankungen begünstigen.
Hoher
Zeitdruck und die daraus resultierende Arbeitsverdichtung sind heute in fast
allen Berufen zu finden. Kommen dann Faktoren wie mangelnde soziale
Anerkennung, schlechte Bezahlung, mieses Betriebsklima oder Über- oder Unterforderung
hinzu, dann verursacht Arbeit krankmachenden Stress. Gerade untere
Hierarchieebenen sind von gesundheitsgefährdendem Stress betroffen.
Führungskräfte verausgaben sich zwar durch lange Arbeitszeiten, können damit
aber besser umgehen, da sie (in der Regel) mehr Steuerungsmöglichkeiten haben
und für ihren Einsatz höher belohnt werden.
Chefs
müssen akzeptieren, dass ihre Mitarbeiter nur eine Aufgabe nach der anderen
erledigen können – jederzeit multitaskingfähig zu sein, hat sich doch als große
Mär herausgestellt. Alle, die dies nicht glauben, sollten sich dabei beobachten
lassen, wie sie mehrere Dinge gleichzeitig erledigen. Mein Lieblingsbeispiel:
Autofahren und telefonieren. Auch wenn es verboten ist, meinen doch viele
Autofahrer, sie können mal eben eine WhatsApp Nachricht tippen oder gar ein
Gespräch annehmen. Wie sich das auf den Fahrstil auswirkt – so ist es
schwierig, dabei die Spur oder die Geschwindigkeit zu halten – kann man
tagtäglich auf deutschen Autobahnen (und nicht nur dort) erleben. Aber im Job
soll dies möglich sein!?
Stellen
Sie sich vor, Sie treten eine neue Stelle an und merken, Sie sind überfordert.
Was tun Sie? Werfen Sie den Job hin? In der Regel wohl nicht. Stattdessen versuchen
Sie irgendwie die Aufgaben zu erledigen, arbeiten immer mehr, um das Pensum zu
schaffen, können auch nach Feierabend und am Wochenende nicht mehr abschalten.
Wenn dann noch das Feedback der Vorgesetzten weniger positiv ist und man Ihnen
auch noch direkt oder indirekt mitteilt dass man mit Ihren Leistungen nicht
wirklich zufrieden ist („Ihre Vorgängerin hat aber mehr geschafft“), wird es
schwierig. Doch sollten Sie die Überlastung und Überforderung ansprechen? Und
damit das Risiko eingehen, dass man Ihnen vielleicht kündigt? Oder versuchen
Sie die Probezeit „irgendwie“ zu überstehen, um sich dann – ab und zu - krank
zu melden? Oder geben Sie sich der Hoffnung, irgendwann die Aufgaben „im Griff zu haben? Alles keine
Lösungen, zumal weiterhin die Gefahr besteht, ernsthaft zu erkranken und dann
den Job zu verlieren.
Oder
Ihr Aufgabenbereich verändert sich. Durch Umstrukturierungen – diese gehen ja
gerne mit einem Personalabbau einher – werden Tätigkeiten gebündelt und die
Arbeit verdichtet sich. Zunächst sind Sie froh, dass Sie Ihren Arbeitsplatz
behalten konnten und gehen davon aus, mit der Situation umgehen zu können. Doch
schnell merken Sie, dass es schwierig wird und Sie sich immer stärker unter
Druck gesetzt fühlen. Ihr Stress nimmt zu. Doch informieren Sie Ihre
Vorgesetzten?
Diese
Situationen werden mir regelmäßig von Kunden geschildert, die nicht wissen, wie
sie sich verhalten sollen. Einige überlegen, sich einen neuen Job zu suchen,
andere lassen sich krankschreiben. Grundsätzlich rate ich zu einem Gespräch mit
dem Vorgesetzten. Gute Chefs merken aber selbst, wenn mit einem ihrer Mitarbeiter
etwas nicht in Ordnung ist, und suchen von sich aus das Gespräch.
Bevor
Sie in das Gespräch gehen, notieren Sie sich alle Tätigkeiten, die Ihr
Tagesgeschäft bestimmen. Halten Sie auch Kleinigkeiten fest. Wie viele Dinge
müssen parallel erledigt werden? Wo gibt es die größten Schwierigkeiten? Nur
wenn Sie wissen, was Sie ganz konkret überfordert, gibt es Möglichkeiten hier
gezielt gegenzusteuern.
Um
Ihr Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten weiter vorzubereiten, gilt es dann zu
überlegen, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt. Gibt es Aufgaben, die Sie
abgeben könnten? Gibt es Kollegen, die Sie unterstützen könnten und dies auch
tun würden? Sprechen Sie im Vorfeld mit diesen Kollegen und schildern Ihre
Lage. Vielleicht hat der Kollege oder die Kollegin eine Idee.
Dann
geht es in das Gespräch. Keine Frage, es ist schwierig. Kein Mensch gibt gerne
zu, dass er etwas nicht schafft. Wir möchten immer perfekt und fehlerlos sein.
Überwinden Sie Ihre Scham, legen Ihrem Chef Ihre Situation dar und beschreiben
die große Anzahl der Aufgaben und besonders die Dinge, die Sie erdrücken.
Verdeutlichen Sie, dass Sie alles tun, um Ihre Aufgaben und Ihre Arbeit zu
erledigen, aber eine Überforderung da ist. Normalerweise wird Ihr Vorgesetzter
versuchen, Sie zu unterstützen und an Ihrer Situation etwas zu ändern. In
keinem der Fälle, die mir von meinen Kunden geschildert wurden, ist eine
Kündigung seitens des Arbeitgebers ausgesprochen worden (es ist aber klar, das
dies in anderen Fällen sicher passiert sein dürfte). Letztlich geht es ja auch
darum, für beide Seiten eine gute und dauerhafte Lösung zu finden. Dem
Unternehmen ist nicht geholfen, wenn ein Mitarbeiter a) seine Arbeit nicht
schafft, b) eine hohe Fehlerquote aufweist, c) krankheitsbedingt ausfällt oder
d) das Unternehmen verlässt.
Mein
Rat: Wenn Sie sich mit Ihren Aufgaben überfordert fühlen, suchen Sie so früh
wie möglich das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten!
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